März 2020

Kaffee mit…Daniela Marino

Artikel im Magazin «Finanz und Wirtschaft» (Samstag, 21. März 2020)

Daniela Marino mag ihren Espresso
Macchiato heiss und stark. In einer heissen
Phase befindet sich auch das Unternehmen
Cutiss, das sie leitet. Aus zeitlichen Gründen
trinkt die CEO, die aus Italien stammt, ihren
Kaffee meistens im Büro, das sich in der
Nähe der Uni Zürich befindet. Dort wurde
Cutiss’ Technologie zur Produktion menschlicher
Haut ursprünglich entwickelt.

Weltweit leiden jedes Jahr mindestens
fünfzig Millionen Menschen unter grossflächigen
Hautverletzungen. Die heutige Standardbehandlung
besteht darin, an einer gesunden
Körperstelle Haut zu entnehmen und sie auf
die versehrte Stelle zu legen, damit sie dort wieder
anwächst und die Wunde schliesst. Es entsteht
also eine zusätzliche Verletzung, die ebenfalls
ihre Narben hinterlassen kann. Hier soll das Verfahren von Cutiss
einen Fortschritt ermöglichen. Es muss nur eine kleine Hautbiopsie entnommen
werden. Sie wird im Labor zerkleinert, die daraus gewonnenen
Zellen werden vermehrt und dann zusammen mit einem Collagen-Hydrogel
zu einem neuartigen Hautsubstitut zusammengefügt. Cutiss bewegt
sich damit in einer ähnlichen Kategorie wie die Hersteller von Zelltherapien,
bei denen ebenfalls Körperzellen entnommen, manipuliert und
wieder zugeführt werden.

In einer Phase-I-Studie wurde denovoSkin an zehn Patienten am Kinderspital
der Uni Zürich erfolgreich auf die Sicherheit untersucht. Swissmedic,
die Arzneimittelbehörde der EU (EMA) und ihr US-Pendant FDA
haben denovoSkin den Orphan-Drug-Status zugesprochen. Damit würde
das Produkt einen längeren Marktschutz geniessen und könnte auch
rascher zugelassen werden.

Erst einmal sind aber Phase-II-Studien nötig, in der die im Labor hergestellte
Haut nicht nur auf ihre Sicherheit, sondern auch auf ihre Wirksamkeit
untersucht wird. Diese Studien laufen bereits in der Schweiz und in den
Niederlanden. Sie sind teuer und dauern voraussichtlich bis 2022. Marino
ist deshalb auf der Suche nach zusätzlichen finanziellen Mitteln im Umfang
von 30 Mio. Fr. Einige bestehende Teilhaber seien zwar bereit, bei der Kapitalerhöhung
mitzumachen. «Wir suchen aber auch neue Aktionäre und wir
benötigen vor allem einen langfristigen Ankerinvestor, der mehrere Millionen
beisteuern und unsere Vision unterstützen würde», erklärt Marino.
Die 38-Jährige hat in Mailand Biotechnologie studiert und an der ETH
doktoriert. Im Rahmen eines Postdoktorats an der Uni Zürich hat sie dann
mit dem Tissue-Biology-Research-Team an der Züchtung und Produktion
von personalisierter Haut geforscht. Nachdem erste Studien am Menschen
positiv ausgefallen waren, machte es 2017 Sinn, für die weitere Entwicklung
ein Start-up zu gründen.

Die Arbeit im Labor ist nur der Anfang. «Der Durchbruch für diese
Technologie wird erst kommen, wenn es gelingt, den Herstellungsprozess
zu automatisieren», ist Marino überzeugt. Ihr Unternehmen betritt
so die Welt des Maschinenbaus. Dazu hat sie mit dem Ingenieurbüro
Zühlke und dem Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique
kompetente Partner an Bord geholt.
Innosuisse unterstützt die Entwicklung mit knapp 1 Mio. Fr. Insgesamt
hat Cutiss nun schon 21 Mio. Fr. eingesammelt, unter anderem 3 Mio. von
der Europäischen Union und 5 Mio. von Wyss Zurich, dem aus einer
Spende von HansjörgWyss gegründeten Inkubator der Uni Zürich und der
ETH. Cutiss bewegt sich also zwischen Biotech, Chirurgie und Prozessautomatisierung.
«Das macht es für uns nicht einfacher, Investoren zu
finden», gesteht Marino. Sie ist aber zuversichtlich, dass sie bald die
nötigen Gelder zusammen hat. Dies, obwohl die aktuelle Situation rund
um das Coronavirus auch bei Investoren zur Zurückhaltung führt.
Wenn die Resultate der Phase-II-Studien gut sind, könnte Cutiss bereits
einen Zulassungsantrag für denovoSkin einreichen. Rund ein Jahr später
könnte das grüne Licht der Behörden folgen. In erster Linie würden
Verbrennungsopfer profitieren. Daneben fiele auch die Wiederherstellungschirurgie
nach anderen Unfällen oder zum Beispiel rekonstruktive Eingriffe
zur Entfernung eines grossflächigen Muttermals ins Gewicht. Alleine das
wäre laut Schätzung von Cutiss ein Markt (Europa und USA) von 2 Mrd. Fr.
Auch Anwendungen in der Schönheitschirurgie sind denkbar.

Die Haut von Cutiss ist im Gegensatz zu bereits erhältlichen Produkten
dicker, besteht aus patienteneigenen Zellen und enthält sowohl eine dermale,
als auch eine epidermale Hautschicht und kann damit besser verwachsen,
die Wunden verheilen besser. Das führt auch zu weniger Vernarbung.
Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, weil viele Patienten
für den Rest ihres Lebens psychisch unter Entstellungen leiden, die sie von
ihren Verletzungen und den folgenden Behandlungen davontragen.

Als aktuell grösste Herausforderung sieht Marino den anstehenden
Wachstumsschub ihres Unternehmens, das zwanzig Mitarbeiter zählt. Im
Biotechnopark in Schlieren entsteht das firmeneigene Forschungs- und
Entwicklungszentrum sowie eine Produktionsstätte. «Wir brauchen noch
mindestens zehn neue Mitarbeiter», sagt Marino. Ihren Espresso
Macchiato hat sie schon lange ausgetrunken. Sie schaut auf die Uhr und
verabschiedet sich freundlich.

Text: Rupen Boyadjian

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Ihr Start-up geht unter die Haut
(Schweizer Illustrierte)

Artikel in der Schweizer Illustrierte vom März 2020

Sie gibt Brandopfern Hoffnung: Die Gründerin Fabienne Hartmann-Fritsch züchtet mit Cutiss personalisierte Haut für Patienten mit Narben oder Verbrennungen. Kinder profitieren besonders.

Eine Tasse mit heissem Tee kann bei Kindern Schlimmes anrichten. «Den kleinen Patienten mit Brandverletzungen zu helfen, motivierte mich vor elf Jahren, ins Forscherteam des Kinderspitals Zürich einzusteigen», sagt Fabienne Hartmann-Fritsch, 36. Heute ist die Winterthurerin Co-Chefin der Firma Cutiss, welche personalisierte Haut für Brandopfer entwickelt.

Auf den ersten Blick sieht das rosaglitschige Läppchen nicht nach viel aus. Doch das kleine Viereck besteht aus lebenden Hautzellen eines Patienten. Dafür wurde vier Wochen zuvor mit einer Art Sparschäler beim Brandopfer im Spital ein Stück Haut von der
Grösse einer Briefmarke entfernt, danach im Labor in Zellen aufgeteilt, mit einer Art Bouillon genährt und mit Collagen wieder zusammengefügt. «So können wir das ursprüngliche Stück Haut bis 100-mal vergrössern.»

Weltweit erleiden laut Biologin Hartmann-Fritsch rund 50 Millionen Menschen schwere Hautschäden durch Verbrennungen, Krankheit oder Operationen – 30 Prozent davon sind Kinder. «Zwar kann man heute schon Haut transplantieren, doch das Ergebnis ist
nicht befriedigend.» Die betroffenen Stellen können wohl heilen, doch oft bleiben starke Vernarbungen zurück. «Weil Narben nicht mitwachsen, leiden gerade Kinder darunter. Sie müssen immer wieder ins Spital, brauchen viel Pflege und psychologische Betreuung.» Anders bei der Haut von Cutiss. Ein dreijähriges Kind etwa habe das Transplantat erhalten, und es sei seither mit ihm gewachsen. Hartmann hat selbst keine Kinder, dafür ihre Co-Chefin, Biotechnologin Daniela Marino, 38. Als die beiden 2017 das Start-up Cutiss gründeten, war diese hochschwanger, das zweite Kind war in Meetings oft dabei. «Anfangs fiel uns gar nicht auf, dass Frauen als Gründerinnen eher selten sind», sagt Hartmann-Fritsch. Erst an Start-up Konferenzen – Cutiss gewinnt unter anderen den Female Innovator of the Year Award – merkten die beiden, wie untervertreten ihr Geschlecht ist. Heute beschäftigen sie in ihrem 21-köpfigen Team 50 Prozent Frauen.

Ziel der beiden ist es, in drei Jahren ihr Produkt, das aktuell im Unispital, dem Kispi und in Holland getestet wird, auf den Markt zu bringen. Dafür braucht es allerdings eine Automatisierung. «Es macht uns stolz, dass die Forschung, die in der Schweiz begann, vermutlich bald Verletzten weltweit helfen wird.»

Text: Jessica Pfister
Foto (im Artikel): Fred Merz
Foto (oben): Geri Born

Ihr Start-up geht unter die Haut
(Schweizer Illustrierte)
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