23. November 2020

Kathi Mujynya

Der «Schlieremer»: Frauen an der Spitze von Unternehmen

Artikel im Schlieremer Magazin vom November 2020

«Es war nicht immer einfach»

Das Führungsteam von Cutiss besteht aus fünf Personen, darunter drei Frauen. Eine davon ist die 52-jährige Kathi Mujynya Ludunge. Sie ist seit einem Jahr Chief Operating Officer. Cutiss hatte bis vor kurzem nur das Forschungslabor in Schlieren. Neu befinden sich auch die Büros des 2017 gegründeten Startups sowie die Produktionsräumlichkeiten hier. Mujynya Ludunges grösste Herausforderung ist deshalb gegenwärtig, die operativen Strukturen in Schlieren aufzubauen und zu festigen sowie die Zeitvorgaben und das Budget einzuhalten.

Cutiss ist ein Life-Science-Unternehmen, das personalisierte Hauttransplantationstechnologien zur Behandlung eines grossen Spektrums von Hautdefekten entwickelt. Die Marktzulassung für Europa für den am weitesten fortgeschritten Produktkandidaten, denovoSkin, wird für 2023 erwartet. Cutiss erreichte in diesem Jahr im Wettbewerb «Top 100 Swiss Startup Award» den 1. Platz. Das Unternehmen zählt dreissig Mitarbeitende.

Mujynya Ludunge hat an der Ecole Supérieure de la Santé in Neuenburg Biologie studiert und nachher einen Master in Business Administration an der Universität Genf gemacht. Später kam noch das Postgraduierten-Diplom in Management of Biotech and Pharmaceuticals Venture an der ETH Lausanne dazu. «Ich wollte schon immer die Übersicht haben und das grosse Ganze verstehen», sagt Mujynya Ludunge zu ihrem jetzigen Job. «Gleichzeitig möchte ich Organisationen positiv weiterentwickeln und meine Energie und Leidenschaft für Wissenschaft mit anderen teilen.» Mujynya Ludunge hat in den vergangenen 18 Jahren Teams in der Schweiz, den USA und Singapur geleitet.

Ihr Aufstieg in Leitungspositionen sei «nicht immer einfach» gewesen, erklärt Mujynya Ludunge. Einerseits sei es früher nicht üblich gewesen, dass Frauen auf mittlerer und hoher Führungsebene vertreten waren und auch die Verantwortung für ganze Teams trugen. Andererseits sei sie nicht nur eine Frau, sondern auch noch eine «Person of Color» – ihr Vater ist Kongolese, ihre Mutter Schweizerin. «Glücklicherweise ist die Welt im Jahr 2020 deutlich vielfältiger geworden», sagt Mujynya Ludunge.

Mujynya Ludunge arbeitet zwischen fünfzig und sechzig Stunden pro Woche. Es gelinge ihr aber inzwischen immer besser, an Wochenenden nicht an Arbeit zu denken, sagt sie. Ausserdem habe sie das Glück einer grossen Familie, die sie privat auf Trab halte. Mujynya Ludunge ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern. In ihrer spärlichen Freizeit liest sie viel – «hauptsächlich zwischen 23 und 1 Uhr nachts». Zudem bauen sie und ihre Familie Obst und Gemüse für den eigenen Gebrauch an. Mit der Ernte des Gartens liebt sie es abends und an Wochenenden für Familie und Freunde zu kochen.

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Artikel in SI Style: «Man muss gross denken»

Sie las schon mit acht lieber Anatomie-Bücher, als draussen zu spielen. Heute leitet Daniela Marino das erfolgreiche Biotech-Startup Cutiss. Was ist ihre Motivation? Was ihre Superpower? Und wann war ein Tag für sie erfolgreich? Wir haben ihr 12 Fragen gestellt.

Sie wuchs in Sizilien als Tochter eines Poststellenleiters und einer Englischlehrerin auf und hatte nur einen Traum: Wissenschaftlerin zu werden. Sie studierte Biotechnologie und kam vor 15 Jahren in die Schweiz, um ihren Doktor an der ETH Zürich zu machen.

Daniela Marino strebte eine akademische Laufbahn an, wollte Professorin werden. Doch ein Forschungsprojekt änderte alles. Heute steht die 39-Jährige an der Spitze des Life-Science-Unternehmens Cutiss, welches personalisierte Hauttransplantate herstellt. Bei dem innovativen Verfahren wird aus körpereigenem Gewebe neue Haut gezüchtet. So wird bei Menschen mit grossflächigen Hautverletzungen die Narbenbildung verringert – und die Lebensqualität verbessert. Für die bahnbrechende Idee wurde das Spin-off der Universität Zürich mit Preisen und Fördergeldern überhäuft. Rund 30 Mitarbeiter haben kürzlich den nagelneuen Hauptsitz inklusive 500 Quadratmeter grossem Labor in Schlieren ZH bezogen.

Wie sie von der Wissenschaftlerin zur Gründerin wurde, worauf sie besonders stolz ist und wieso sie am liebsten mit sich selbst spricht verrät die Daniela Marino im Interviewformat 12 Frauen, 12 Fragen.

1) Was ist das Mutigste, das du je gemacht hast?

Unternehmerin zu werden. Business und Betriebswissenschaft hatten mich davor nie interessiert, meine Welt war die Wissenschaft, mein Arbeitsplatz das Labor. Aber als ich die ersten Testresultate unserer Erfindung sah, war mir klar, dass wir damit wirklich etwas bewirken können. Meine Rolle als CEO zu finden, war nicht nur fachlich, sondern vor allem auch persönlich eine grosse Herausforderung. Aber meine Motivation bleibt die gleiche: Ich möchte Menschen helfen.

2) Was sind deine Prinzipien als Unternehmerin?

Die Welt verdient mehr Unternehmer, die bodenständig und ehrlich sind. Klar, man braucht eine Vision, aber um zu seinem Ziel zu gelangen, muss man sehr methodisch vorgehen. Man muss stets bescheiden bleiben und einen Schritt nach dem anderen gehen. Es bringt niemandem etwas, wenn man mit dem Kopf gegen die Wand rennt. Wissenschaftliches Denken hilft mir dabei, genau dies zu tun. Ich bin sehr stolz auf mein Forscher-Hirn. (lacht)

3) Welche Menschen inspirieren dich?

Mein Idol war von klein auf die italienische Nobelpreisträgerin Rita Levi-Montalcini. In meinem Kinderzimmer hing ihr Poster neben dem von Freddie Mercury. Ich glaube, irgendwann waren meine Eltern ziemlich besorgt, weil ich mich nicht wie die anderen Teenie-Mädchen in meinem Alter für Jungs interessierte, sondern lieber das ganze Wochenende lang Anatomie-Bücher sowie Geschichten über Ritter und Feen las. Mein Vater glaubt, dass ich diese Faszination von seiner Mutter geerbt habe. Sie konnte nie eine Schule besuchen, wurde Hausfrau. Aber im Selbststudium beschäftigte sie sich mit Astronomie und Medizin.

4) Wie triffst du schwierige Entscheidungen?

Ich warte nicht zu lange und habe das Glück, dass ich meine beiden Hirnhälften – die rationale und die emotionale – ziemlich ausgewogen benutze. Will heissen: Zuerst analysiere ich die Situation bis ins Detail, wäge die Vor- und Nachteile jedes Puzzleteils ab. Danach lasse ich mich von meinem Instinkt leiten. Der Kopf filtert die Optionen, der Bauch fällt die Entscheidung.

5) Wann war ein Tag für dich erfolgreich?

Wenn ich nicht frustriert bin, mein Mann nicht frustriert ist, unsere zwei Kinder nicht frustriert sind und meine Angestellten auch nicht – kurz: Wenn alle um mich herum happy sind. Mir ist klar, dass das nicht jeden Tag der Fall sein kann, aber es ist trotzdem mein Anspruch. Und ich glaube, wenn die Leute um einen herum sehen, dass man sein Bestes gibt, dann sind sie auch nachsichtiger mit einem, wenn mal nicht alles glatt läuft.

6) Was ist deine Superpower?

Mein Multitasking-Talent. Die Tatsache, dass ich diesem Gespräch voll präsent sein kann und mir gleichzeitig überlege, was ich heute Nachmittag noch alles erledigen muss. Diese Fähigkeit ist schon fast überlebenswichtig, wenn man Mutter ist und gleichzeitig eine Firma aufbauen will. Obwohl ich sagen muss, dass wir bei uns zu Hause keine klassische Rollenverteilung haben: In der Küche sieht man mich selten.

7) Wo steht dein Unternehmen in fünf Jahren?

Wir sind sehr schnell gewachsen und möchten in unserem Bereich weiterhin ganz vorne mitspielen. In fünf Jahren möchten wir Patienten in Europa behandeln und bereit sein für den amerikanischen Markt. Hautdefekte aufgrund von Verbrennungen sind insbesondere in Schwellenländern wie Indien oder Brasilien ein Problem. Unser Zielt ist es deshalb ganz klar, global tätig zu sein. Vielleicht wird aus unserem «Cutiss-Haus» in ein paar Jahren ein «Cutiss-Turm». Man muss gross denken, um Grosses zu erreichen.

8) Wie lädst du deine Batterien auf?

Mit absoluter Ruhe. Die gibt es in unserer vernetzten Welt natürlich nicht im Überfluss. Deshalb auferlege ich mir auch keine klaren Offline-Zeiten. Ich mag keine strikten Regeln, ich finde lieber eine gesunde Balance. Mir reicht es schon, wenn ich nach der Arbeit 20 Minuten lang ein entspanntes Bad nehmen kann – kein Lärm, keine Kinder, keine SMS. Da kann ich auftanken.

9) Wen rufst du an, wenn du ein Problem hast?

Bevor ich meinen Mann oder meine Schwester anrufe, rede ich mit mir selber – laut und auf Englisch. Das ist kein Scherz. Wenn ich wütend bin oder ein Problem habe, führe ich Selbstgespräche. Damit habe ich als Teenager angefangen und bis heute nicht aufgehört. Darum stehen bei uns zu Hause auch so viele Spiegel. (lacht)

10) Welcher Moment oder welche Person hat deine heutige Karriere definiert?

Das war 2013, als ich im Rahmen eines EU-Förderprogramms zu einem Betriebswirtschafts-Kurs in Südfrankreich eingeladen wurde. Ich konnte meinen Mann und meine damals einjährige Tochter mitnehmen und dachte mir: Toll, wir machen eine Woche Ferien am Strand und zwischendurch mache ich mir ein paar Notizen. Doch es kam anders: Wir hatten einen fantastischen Kursleiter, der davon überzeugt war, dass ich ein Naturtalent bin. Diese Woche werde ich nie vergessen. Das war der Moment, in dem ich mich entschied, Unternehmerin zu werden.

11) Wann hast du das letzte Mal an dir gezweifelt?

Kurz nach der Firmengründung realisierte ich, dass mir das Know-how für den nächsten Schritt fehlt. Ich brauchte jemanden, der zu meinem Elan und meinem Engagement die nötige Erfahrung in der Unternehmensführung hinzu bringt. Es war nicht leicht mir einzugestehen, dass ich nicht weiterwusste. Aber heute bin ich froh, dass ich mir die nötige Hilfe geholt habe. Es war der Startschuss für unser jetziges Team.

12) Worauf bist du besonders stolz?

Auf das, was wir als Firma aufbauen. Aber nicht in geschäftlicher, sondern in menschlicher Hinsicht. Als ich meinen ersten Mitarbeiter einstellen konnte, habe ich vor Glück geweint. Unsere Angestellten werden zu absoluten Expert*innen auf einem Gebiet, das sehr trendy, modern und innovativ ist. Ihnen gehört die Zukunft – ganz unabhängig davon, was mit unserem Unternehmen geschieht.

Auch wenn sie inzwischen öfter in Sitzungsräumen anzutreffen ist: Im Labor fühlt sich Daniela Marino ganz in ihrem Element.

Von Marlies Seifert am 19. November 2020

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